Robert „Bobo“ Widmann vom Batzenhäusl in Bozen über den Auftrag des Gastwirtes, darüber, wie einst Schweinshaxen gegen Bilder getauscht wurden und wie das Leben einem Gasthaus die richtige Patina verleiht.
Historic: Woher hat das Batzenhäusl seinen markanten Namen?
Robert „Bobo“ Widmann
Gastgeber vom Batzehäusl
Der Batzen war einst eine Münze und als Zahlungsmittel weit verbreitet, von Venedig bis nach Nürnberg. Auch in der Schweiz gab es den Batzen. Der Ursprung des Namens ist unklar. Doch das Geldstück war ungefähr vier Heller oder Kreuzer wert. So viel kostete im Batzenhäusl das Maß Wein
Also war das Haus damals eher auf Wein als auf Bier ausgerichtet?
Ja, das Batzenhäusl hat sich mit dem Magdalener Wein seinen Namen gemacht. Zum Erfolgsgeheimnis des Batzenhäusls gehörte auch, dass es während einer wirtschaftlichen Krise imstande war, die Preise zu halten.
»Wenn etwas zu perfekt ist, baut das eine Barriere auf.«
Schenke in erstklassiger Lage seit 1404. Batzenhäusl, Bozen.
Gerade in schlechten Zeiten zeigt sich, wer ein guter Wirt ist …
In Krisen sieht man, was jemandem wichtig ist. Und Krisen hat das Batzenhäusl viele erlebt. Seine Geschichte ist geprägt von ständigen Besitzerwechseln. Am längsten betrieb der Deutsche Orden das Haus, das er 1404 als Schenke errichtet hat.
Trotz aller Wirren gilt das Batzenhäusl als eines der ältesten Gasthäuser Südtirols. Natürlich gibt es Häuser, deren Mauern älter sind. Aber das Batzenhäusl wurde seit 1404 durchgehend als Gasthaus geführt.
Das Batzenhäusl hatte auch berühmte Gäste wie den Maler Franz Defregger, richtig?
Ja, zweimal im Jahr war er für längere Zeit in Bozen; in seiner Villa in Rentsch. Er war nicht nur ein sehr bekannter Maler, sondern auch so charismatisch, dass zahlreiche Künstlerkollegen nach Bozen gekommen sind. Hier im Batzenhäusl haben sie sich regelmäßig getroffen. In der Täfelung einer alten Stube von 1680 haben sie sich um 1880 herum mit Schnitzereien und Namen verewigt.
Defregger war bei seinem Tod 1925 einer von elf Künstlern im deutschen Sprachraum, die es noch zu Lebzeiten zum Millionär gebracht hatten.
Die Wirtsleute zu Defreggers Zeiten, Engelbert Trebo und Maria Prader, haben es verstanden, sich mit den Künstlern gut zu stellen. Und sie haben erkannt, welchen Wert ihre Bilder haben. Eine Schweinshaxe gegen ein Bild – das ist ein gutes Geschäft! (lacht) Die Originale der Bilder hängen heute fast alle in Schloss Prösels.
Mit Defregger erhielt das Batzenhäusl einen Ruf als Künstlerkneipe …
Das hat auch mit klugem Marketing zu tun. Ein Antiquar hat mir erzählt, dass es in Mitteleuropa kein Gasthaus gab, das mehr Postkarten in Umlauf gebracht hat als das Bozner Batzenhäusl. Heute noch kommen viele Menschen mit alten Postkarten zu mir und sagen: „Spendier mir ein Bier, dann kannst du sie haben!“
In München am Marienplatz gab es ein Gasthaus, das hieß sogar „Bozener Batzenhäusl“. Auch in Kufstein, in Meran und in vielen weiteren Orten in Süd- und Nordtirol sind „Batzenhäusl“ in Anlehnung an dieses Haus hier benannt worden.
»Hier kommt jeder herein. Es gibt keine Berührungsängste.«
Batzenhäusl
Der leichte Hopfengeruch der Braukessel, der verführerische Duft der Köstlichkeiten aus der Küche: Jede menschliche Nase riecht unweigerlich sofort, dass im Bozner Batzenhäusl für das leibliche Wohl aller Reisenden und Wandersleute bestens gesorgt ist.
Wie sind Sie in den Besitz des Hauses gekommen?
Da hat der Zufall eine Rolle gespielt. Ich habe jung geheiratet – und zwar hier im Haus. Jahre später sind meine Frau und ich an einem Hochzeitstag hierher zurückgekommen.
Die Wirtsleute damals – sie waren nicht einmal Pächter, sondern Unterpächter – haben uns erzählt, dass sie nach einer neuen Herausforderung suchen. Die Besitzerinnen des Hauses, zwei alte Damen aus Vahrn, seien verstorben und die Erbengemeinschaft werde das Haus wahrscheinlich verkaufen.
Ich habe mir die Telefonnummer geben lassen und gleich angerufen. Und am anderen Ende hieß es: „Super, dass Sie anrufen, wir sitzen gerade alle zusammen und besprechen, was wir jetzt tun!“
Was hat Sie am Batzenhäusl gereizt?
Ich hatte immer schon ein Faible für alte Häuser. Das Ambiente ist ein unterschätzter Faktor, um in der Gastronomie Erfolg zu haben. Oft schaut die Architektur von außen toll aus, aber wenn man hineingeht, fehlt die Atmosphäre. Alte Häuser bringen sie dagegen meist automatisch mit. Das ist irgendwie schon eine Konzeptgarantie. (lacht)
Sie kennen sich sehr gut mit der Geschichte des Hauses aus …
Früher besser, heute habe ich bereits einiges vergessen. (lacht) Ich habe mir vorgenommen, die Häuser zu kennen, die ich übernehme. Da recherchiere ich dann intensiv.
Das Batzenhäusl hieß zum Beispiel nicht immer so. Am Anfang trug es den Namen „Zum Postbaum“. Denn hier war eine Schranke, eine Art Zollstation. Wer vom Süden her ins Eisacktal wollte, kam durchs Stadttor – und hier vorbei. Eine erstklassige Lage für ein Gasthaus also.
Was muss man tun, um ein solches Haus zu erhalten?
Der Erhalt ist geld- und zeitintensiv. Das liegt auch daran, dass der Betrieb sehr intensiv arbeitet. Wir geben im Schnitt knapp 1.000 Essen am Tag aus. Wir haben keinen Ruhetag und eine eigene Bierproduktion. Ein Hochfrequenz-Betrieb – das verschleißt natürlich.
»Ich möchte ein Dienstleister sein für alle, eine Versorgungsstelle.«
Trotzdem wirkt das Haus gepflegt …
Einmal im Jahr gehe ich mit einem Restaurator alles durch. Der Vorteil der alten Sachen ist: Sie sind aus Materialien, die man gut reparieren kann.
Die Frage ist auch, wie weit man etwas konservieren will. Unsere Philosophie ist: Wir lassen gerne eine Patina drauf, nicht schmuddelig, aber es darf schon etwas vom Leben haben. In einem echten Gasthaus gehört das Leben dazu. Wenn etwas zu perfekt ist, baut das eine Barriere auf. Meine Maxime ist: Hier kommt jeder herein. Es gibt keine Berührungsängste.
Ganz in der Tradition der volksnahen Schenke von einst …
Ja, das möchte ich als Gastwirt weiterführen. Ich möchte ein Dienstleister sein für alle, eine Versorgungsstelle. Deshalb haben wir auch keinen Ruhetag.
Ich leide immer wie ein Hund, wenn ich sehe, wie die Gäste zum Christkindlmarkt nach Bozen reisen – dann kommen die Feiertage und alle Betriebe sind geschlossen! Wir sind das einzige Lokal, das an diesen Tagen geöffnet hat. Und die Leute sind dankbar dafür. Ich glaube, als Gastronom hat man einen Auftrag. Natürlich ist das aufwendig. Aber ich traue mich zu behaupten, dass wir mit diesem Konzept die Geschichte des Batzenhäusls einige Jahrzehnte fortschreiben können.
Batzenhäusl
Andreas-Hofer-Str. 30
39100 Bozen, Südtirol
+39 0471 050 950
www.batzen.it