Berta Winkler und Gabriel Tauber vom Saalerwirt über Weiler und Wallfahrer, eine Schwarze Madonna vom Acker und wie ein „verrückter“ Wirt und eine Steinlawine napoleonische Soldaten am Eingang des Gadertals abwehrten.
Berta Winkler und Gabriel Tauber vom Saalerwirt über Weiler und Wallfahrer, eine Schwarze Madonna vom Acker und wie ein „verrückter“ Wirt und eine Steinlawine napoleonische Soldaten am Eingang des Gadertals abwehrten.
Historic: Der Saalerwirt ist nach dem Weiler Maria Saalen benannt. Wo liegen die Ursprünge des Weilers?
Berta Winkler und Gabriel Tauber
Gastgeber vom Saalerwirt
Gabriel: Urkundlich erwähnt wurde Saalen zum ersten Mal im Jahre 892.
Berta: Damals hieß der Ort hier „Susolone“ und lag an der einzigen Verbindungsstraße ins Gadertal. Ab dem 17. Jahrhundert war Maria Saalen ein Wallfahrtsort. Die heutige Kirche wurde 1652 errichtet und hat mit ihrer Schwarzen Madonna – einer Nachahmung der Madonnenfigur von Loreto – viele Wallfahrer angezogen.
Zur Schwarzen Madonna gibt es eine besondere Geschichte, richtig?
Berta: Ja, angeblich wurde die Statue auf einem nahegelegenen Acker gefunden.
Aber als man am Fundort eine Kirche bauen wollte, haben sich die Zimmerleute ständig geschnitten. Die blutigen Späne haben die Vögel dann an den Ort getragen, wo die Kirche heute steht. Eine gute Geschichte – das Marketing von damals. (lacht)
»Maria Saalen ist ein Kraftort, das hören wir von vielen Gästen.«
Verweilen im Weiler.
Saalerwirt, Maria Saalen.
Kommen auch heute noch Wallfahrer?
Berta: Ja, es vergeht kein Tag ohne. Einige Gruppen kommen sogar jährlich zur Wallfahrt.
Am Rosarisamstag, also am ersten Samstag im Oktober, kommen Wallfahrer aus Oberwielenbach. Sie starten um vier Uhr in der Früh, kommen zu Fuß, betend und mit einem Kreuz. Gegen acht Uhr gibt es hier in der Kirche eine Messfeier. Danach kehren alle bei uns ein und bekommen die traditionelle Wallfahrersuppe, eine Nudelsuppe mit Würstel. Mit der großen Glocke in der Kirche läuten wir die Wallfahrer bei ihrer Ankunft ein, und nach dem Essen läuten wir sie auch wieder aus.
Eine zweite traditionelle Wallfahrt gibt es an Christi Himmelfahrt aus Enneberg. Und Ende September bei der Dekanatswallfahrt kommen aus Bruneck sogar bis zu 500 Leute zu Fuß hierher.
Was macht die Magie dieses Ortes aus?
Berta: Maria Saalen ist ein Kraftort, das hören wir von vielen Gästen. Ich spüre das ebenso. Wir haben großes Glück, hier leben und arbeiten zu dürfen. Das betrifft nicht nur unser Haus. Wir kümmern uns auch um die Kirche, sperren sie morgens auf und abends zu, arrangieren den Blumenschmuck.
Wie ist die Familie Tauber in Besitz dieses Gasthofs gelangt?
Berta: 1892 wurde unten im Tal die neue Straße eröffnet. Die damaligen Besitzer waren der Überzeugung: Ohne die Hauptstraße ist das Geschäft vorbei. Sie haben den Gasthof kurzerhand der Ochsenwirtin aus Schabs bei Brixen verkauft. Einer ihrer Söhne hat das Haus übernommen. Seit damals ist der Gasthof in unserer Familie. 1972 hat ihn mein Mann Johann übernommen, der sich heute um unsere Landwirtschaft kümmert. Und Gabriel ist jetzt die fünfte Generation.
Die Straße ins Gadertal hat in der Geschichte des Hauses also eine große Rolle gespielt …
Berta: Ja. Sie war auch der Grund dafür, dass es in der Nähe mehrere Schlachten gab. Im Tiroler Freiheitskampf zum Beispiel: Als das Heer der Franzosen vorbeikam, haben sich die Bauern oberhalb des Weges mit großen Steinen postiert. Die Franzosen haben den Wirt gefragt, ob die Straße ins Gadertal passierbar sei, und der hat es ihnen bestätigt – obwohl er natürlich vom Hinterhalt wusste.
Die Franzosen wurden mit einer Steinlawine zurückgeschlagen, der Wirt danach verhaftet. Der damalige Bürgermeister von St. Lorenzen setzte sich bei den Franzosen für die Freilassung des Wirtes ein – mit der Begründung, dass dieser nicht mehr ganz richtig im Kopf sei. Als Belohnung hatte ihm der Wirt eine beachtliche Menge Korn versprochen. Doch als der Wirt tatsächlich freikam, sagte er zum Bürgermeister: Von dem Korn weiß ich nichts, ich bin nicht mehr ganz richtig im Kopf! (lacht)
Gabriel: Etwa zwei Kilometer von hier, beim Felsen der göttlichen Hilfe, wurde den bäuerlichen Schützen eine Gedenkstätte errichtet.
Der idyllische Weiler Maria Saalen auf einer Wiesenkuppe auf 978 Metern Meereshöhe ober dem Eingang ins Gadertal verströmt eine eigene Magie.
Wie hat die neue Hauptstraße im Tal das Leben hier oben am Weiler verändert?
Berta: Mein Mann ist Ende der 50er Jahre noch hier in Maria Saalen zur Schule gegangen. Damals gab es hier noch 20 Kinder, die Familien waren sehr kinderreich. Es gab eine Lehrerin, die hier im Ort wohnte, einen Wallfahrtspfarrer und tägliche Gottesdienste.
Gabriel: Heute hat Maria Saalen insgesamt nur mehr 50 Einwohner, verstreut auf insgesamt 14 Höfe. Der nächste ist einen Kilometer entfernt (schmunzelt).
Dass das Haus hier schon lange eine Herberge war, beweist die schöne Stube, in der wir sitzen …
Gabriel: Das ist eine Zirbenstube vom 17. Jh.
Berta: Dadurch, dass Maria Saalen ein Wallfahrtsort war, war das Haus hier schon immer eine Herberge und Weinschenke.
Mittlerweile mussten wir sogar eine dritte Stube einrichten, denn die Gäste wollen abends alle in der Stube sitzen.
Bei der neuen Stube haben wir uns für eine Zirbendecke entschieden, der Rest der Stube ist aus dunkler Lärche. Die Stube ist ein bisschen anders als die traditionellen. Es gibt Gäste, die finden sie ganz wunderbar, andere wieder bevorzugen die alte Stube.
Beim Umbau haben wir darauf geachtet, dass durch die Position der Türen eine gerade Flucht entsteht, wie früher in den alten Gasthäusern. Deshalb lassen wir die Türen auch gerne offen.
»Wir haben viele Schichten abzudecken. Das gehört zu unserem Auftrag dazu.«
Was hat es mit der Kegelbahn vor dem Haus auf sich?
Berta: Früher gehörte das Kegeln zum Sonntag dazu. Nach der Messe wurde hier um ein Glas Wein gespielt. Und die jungen Buben hatten als „Scholderer“ die Aufgabe, die hölzernen Kegel immer wieder neu aufzustellen. Für ihren Dienst haben sie ein „Kracherle“ bekommen, eine Limonade. Die Kirchgänger haben bis zu Mittag gekegelt. Und oft ging es am Nachmittag noch weiter, nach dem Rosenkranz in der Kirche.
Die Kegel sind heute noch original. Nur die Kugeln mussten wir austauschen, die sind nicht mehr aus Holz, sondern aus Gummi. Im Sommer veranstalten wir wöchentlich mit unseren Hausgästen ein Kegelturnier.
Wie sieht die Zukunft des Saalerwirt aus?
Berta: Wir setzen weiterhin auf Einfachheit und Natürlichkeit. Wir bieten hohe Qualität, wollen aber nicht zu hochpreisig werden. Wir wollen, dass Wanderer und Wallfahrer auch in Zukunft bei uns vorbeikommen. Wir haben viele Schichten abzudecken. Das gehört zu unserem Auftrag dazu.